Agrarstrukturgesetze

Was sind Agrarstrukturgesetze?

Außerlandwirtschaftliche Investoren wie Aldi, die Münchener Rück oder Quarterback/Deutsche Wohnen kaufen immer mehr landwirtschaftliche Betriebe und deren Flächen in Ostdeutschland auf. Die Pacht- und Kaufpreise steigen seit 15 Jahren ungebremst in die Höhe. Die bisherige Gesetzgebung, die dies eigentlich verhindern soll, ist aktuell wirkungslos. Daher braucht es starke Agrarstrukturgesetze, die folgendes enthalten müssen:

  • Instrumente, um die bisher gesetzlich nicht geregelte Übernahme landwirtschaftlicher Betriebe sowie deren Flächen durch inner- und außerlandwirtschaftliche Investoren zu regulieren
  • Instrumente, um den beständig zunehmenden Preisanstieg für Kauf und Pacht von Agrarland abzubremsen
  • Instrumente, um den ebenfalls beständig steigenden Preisanstieg bei den Pachtpreisen zu dämpfen
  • Anpassungen, um das im Grundstückverkehrsgesetz verankerte Vorkaufsrecht für Landwirtinnen und Landwirte wieder praktisch umsetzbar zu machen, insbesondere durch die Ausweitung der Kompetenzen von Landgesellschaften
  • Anzeigeregularien, um Transparenz auf dem Boden- und Pachtmarkt zu schaffen.

Verschiedene Bundesländer wie Sachsen arbeiten aktuell an Entwürfen für Agrarstrukturgesetze, die extrem wichtig für den Erhalt der Agrarstruktur sind. Rund um diese Entwürfe gibt es viele Mythen und Missverständnisse. Daher finden Sie hier Antworten auf häufig gestellte Fragen.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

1.) Warum braucht es ein Agrarstrukturgesetz, um Investoren daran zu hindern, Land aufzukaufen? Es gibt doch schon das Grundstückverkehrgesetz.

Das Grundstückverkehrsgesetz regelt nur den direkten Landkauf von Person A an Person B. Dabei haben Landwirte Vorrang vor Nicht-Landwirten. Das Gesetz regelt aber nicht den Verkauf von ganzen Betrieben oder Anteilen daran. D.h. im Moment kann ein Versicherungskonzern zwar keinen einzigen Hektar Land kaufen (da der Konzern kein Landwirt ist), wohl aber den Betrieb, dem das Land gehört. Und danach auch 10 oder 20 weitere Betriebe mit deren Agrarland. Um das zu verhindern brauchen wir ein Agrarstrukturgesetz, alle anderen Maßnahmen haben sich als wirkungslos erwiesen.

2.) Warum muss das der Freistaat Sachsen regeln und nicht die Bundespolitik?

Seit der Föderalismusreform 2006 sind die Bundesländer für den Bodenmarkt zuständig und nicht mehr der Bund, d.h. alle den Bodenmarkt betreffenden Fragen können nur durch ein Landesgesetz geregelt werden. Das wurde durch mehrere Rechtsgutachten (bspw. BLG 2015) und zuletzt durch die Bund-Länder-Initiative Landwirtschaftlicher Bodenmarkt (BLILB) festgestellt.

Die Regulierung von Anteilskäufen durch Agrarstrukturgesetze wurde extra so formuliert, dass es nur den anteiligen Verkauf der Betriebsflächen berührt und keine weiteren Bereiche des Unternehmensverkaufs. So bleibt das Agrarstrukturgesetz in Rahmen der rechtlichen Zuständigkeit der Länder und greift nicht in andere Bereiche ein, wo Bundesrecht oder EU-Recht gilt.

3.) Warum braucht es eine Flächenkonzentrationsschwelle von 2500 ha in Sachsen?

Eine Flächenkonzentrationsgrenze ist das einzige Mittel, um Konzerne daran zu hindern, unbegrenzt Landwirtschaftsbetriebe und deren Flächen aufzukaufen. Niemand hat einen Alternativvorschlag. Man kann juristisch nicht zwischen guten und schlechten Investoren unterscheiden. Investoren, die kein Interesse daran haben, selbst Landwirtschaft zu betreiben, wollen nicht nur einen Betrieb als Geldanlage kaufen, sondern mehrere. Für einen Betrieb wäre der Verwaltungsaufwand viel zu hoch. Wenn aber klar ist, dass sie nicht mehr als 2.500 ha erwerben können, wird das ganze Geschäftsmodell für sie uninteressant. Eine Flächengrenze, die für alle gilt, ist der einzige Weg, die ganz großen Konzerne daran zu hindern, Schritt für Schritt alles Land an sich zu bringen.

4.) Was passiert mit Betrieben, die bereits heute über 2500 ha groß sind?

Alle Betriebe, die heute größer sind als 2500 ha, haben Bestandsschutz. Das betrifft nur etwa 30 Betriebe in Sachsen. Auch diese dürfen außerdem weiter Pachtland in Eigentum umwandeln. Für abgelegene Betriebe auf Grenzertragsstandorten, die ggf. nur weiter bestehen können, wenn sie vom wirtschaftlich besser aufgestellten Nachbarbetrieb gekauft würden, gäbe es Ausnahmeregelungen. In dem Fall dürften benachbarte Betriebe kaufen und größer werden, ohne dass es irgendwelche Auflagen gäbe. Kein Betrieb wird durch das Agrarstrukturgesetz aufgeben oder sich verkleinern müssen.

5.) Wie kann ein Agrarstrukturgesetz die Kauf- und Pachtpreise für Land bremsen?

Bereits heute prüft das Landwirtschaftsamt bei direkten Landverkäufen, ob der Verkauf gemäß Grundstückverkehrsgesetz von Landwirt an Landwirt geschieht. Die im Agrarstrukturgesetz vorgesehene Kaufpreisbremse von 30 % würde der Behörde erlauben, auch Verkäufe zu versagen, die 30 % über dem Verkehrswert der Fläche liegen. Die Pachtpreisbremse würde der Behörde erlauben, Pachtverträge zu versagen, die 50 % über der ortsüblichen Pacht lägen. Unter Umständen würden dann zum Beispiel sogar die Pachtpreise der BVVG durch die Behörden angefochten.

6.) Gefährdet eine Kauf- und Pachtpreisbremse die Beleihungswerte für meine Flächen?

Die Beleihungswerte der Grundstücke bleiben genauso erhalten wie sie sind, da die Bodenpreise ja nicht sinken, sondern auch weiter steigen werden, nur eben nicht so rasant wie bisher. Auf die Darlehen hätte das also keine Auswirkung.

7.) Bedeutet das am Ende nicht viel mehr Bürokratie für die Betriebe?

Der bürokratische Aufwand ist sehr überschaubar, der mit dem Agrarstrukturgesetz auf die Betriebe zukommen würde. Es wären bei einem Grundstückskauf lediglich ein Flächenregister und eine Übersicht über die Firmenverflechtungen beizulegen. Ersteres braucht man schon für den Agrarantrag. Zweiteres müssen die betroffenen Betriebe auch heute schon für eine Investitionsförderung und beim Finanzamt einreichen. Den Hauptteil der Arbeit leistet weiterhin der Notar.

Diese minimalen Änderungen stellen endlich mal eine Bürokratie dar, von der wir auch wirklich profitieren. Wir hätten Schutz vor den ansonsten übermächtigen Investoren, die ihre Einnahmen nicht in der Landwirtschaft erwirtschaften müssen, und deshalb andere Preise zahlen können.

8.) Warum ist es sowohl für kleine als auch für große Betriebe wichtig, außerlandwirtschaftliche Investoren in der Landwirtschaft zu stoppen?

Auch die heute großen Betriebe haben auf Dauer gegen Holdings mit 20.000 ha und mehr wirtschaftlich keine Chance, weil diese ihre Vorteile bei Einkauf und Verkauf gnadenlos ausspielen werden. Das betrifft natürlich auch die kleinen und mittleren Betriebe. Die Kauf- und Pachtpreise für die Flächen werden weiter stark steigen – 2007 lag der durchschnittliche Verkaufspreis bei 4 846 Euro/Hektar, 2022 bei 14.478 Euro/Hektar in Sachsen –, so dass alle regional verankerten Betriebe sich den Boden als Produktionsgrundlage nicht mehr werden leisten können.

9.) Was passiert, wenn wir kein Agrarstrukturgesetz in Sachsen bekommen?

Der Ausverkauf der Landwirtschaft an Investoren würde ungebremst weitergehen – durch den Solarboom würde das Tempo mit Sicherheit sogar noch weiter anziehen. Immer mehr regional verankerte landwirtschaftliche Betriebe würden aufgeben, Existenzgründer kaum noch an Land kommen und ländliche Räume weiter veröden.  

10.) Was ist denn so schlimm daran, wenn Investoren Land kaufen?

Landwirtschaftliche Betriebe und deren Flächen sind für Investoren vor allem eine Geldanlage. Mehr als 11 % betrug die Wertsteigerung der Agrarflächen in Sachsen im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr. Daneben ist die durch Landwirtschaft zu erwirtschaftende Grundrente überschaubar. Hauptmotivation, die Betriebe zu kaufen, ist also nicht das Interesse an guter landwirtschaftlicher Arbeit oder die Motivation fruchtbare Böden unter Bedingungen des Klimawandels zu erhalten und zu bewirtschaften. Das ist eine Gefahr für die Ernährungssicherheit und die Widerstandsfähigkeit der Betriebe gegen die klimatischen Veränderungen.

Oft werden mehrere Betriebe eines Investors zentral gesteuert. Das heißt, viele Stellen werden aus dem ländlichen Raum an den Konzernsitz verlagert. Auch die Steuern werden dann nicht vor Ort gezahlt. Im schlimmsten Fall werden zu Bodenbearbeitung, Aussaat, Pflege und Ernte mal Traktoren vorbei geschickt. Die Betrieb verkommt zur Briefkastenfirma. Es wird das angebaut, was mit möglichst wenig Arbeitsaufwand zu machen ist, die Versorgung der lokalen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln aus der Region ist da nicht zu erwarten.

11) Was bedeuten Investorenkäufe für den ländlichen Raum?

Für den ländlichen Raum fallen wichtige Orte des Zusammenkommens weg. Oft finden Dorffeste in Gebäuden des lokalen Landwirtschaftsbetriebs statt. Kindergärten gehen mal bei den Tieren vorbei. Die Menschen identifizieren sich immer weniger mit der lokalen Landwirtschaft, haben kein Verständnis für lokale Eigenheiten. Die Jobs auf dem Land fallen weg, die Menschen müssen längere Weg zur Arbeit fahren, immer weniger junge Menschen gründen landwirtschaftliche Betriebe. Im Dorf ist immer weniger Leben, es verödet weiter.