• Aktion vor dem Magdeburger Landtag 2021: Ackerland in Bäuer*innenhand!

Entwicklungen auf dem Bodenmarkt

Landgrabbing

Agrarland ist immer mehr zu einem Anlage- und Spekulationsobjekt geworden. Investoren eignen sich Land insbesondere seit Mitte der 2000er Jahre an, sowohl auf globaler Ebene als auch in Deutschland. Als zentrale Triebkraft für das unter dem Schlagwort Landgrabbing bekannt gewordene Phänomen gilt in der Forschung das Zusammentreffen der Finanz-, Energie-, Klima- und Nahrungsmittelpreiskrise um 2007/2008. Seitdem wurde Ackerland als sichere Anlagemöglichkeit betrachtet, die aufgrund der zunehmenden Knappheit von fruchtbarem Ackerland, dem wachsenden Anbau von Pflanzen für die „nachhaltige“ Energieproduktion sowie steigender Nahrungsmittelpreise an Wert gewann.

Die Situation in Ostdeutschland

In Ostdeutschland haben verschiedene Investoren wie die Münchener Rück, die Lukas-Stiftung (Aldi) oder die Zech-Stiftung seit 2006/2007 landwirtschaftliche Betriebe und deren Flächen aufgekauft und Land hinzugepachtet. Genaue Zahlen werden behördlich nicht erfasst. Das Thünen-Institut schätzte 2017, dass 34 % der landwirtschaftlichen Betriebe mit den Betriebsformen GmbH, e.G. und AG (so genannte „juristische Personen“) im Eigentum von Investoren sind.

In Westdeutschland sind außerlandwirtschaftliche Investoren bisher seltener aktiv als in Ostdeutschland. Grund für die regionalen Unterschiede sind historisch gewachsene Agrarstrukturen. In der DDR hatten sich im Zuge der so genannten „Landkollektivierung“ die privaten Landwirtschaftsbetriebe, oft unter Zwang, zu großen, agrarindustriell wirtschaftenden Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs) zusammengeschlossen. Nach 1990 wurden die LPGs in Gesellschaften westdeutschen Rechts umgewandelt. Deshalb sind in Ostdeutschland die landwirtschaftlichen Betriebe deutlich größer als in Westdeutschland. Damit sind sie attraktiv für Investoren und eine agrarindustrielle Bewirtschaftung. Landwirt:innen besitzen hingegen selten die finanziellen Mittel, um Großbetriebe zu kaufen, oder sie werden von Investoren überboten.

Bodenpreise

Seit 2006 stiegen die Kauf- und Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen deutschlandweit in allen ostdeutschen Bundesländern erheblich an. Lagen die Kaufpreise für Land in Deutschland im Jahr 2000 noch durchschnittlich bei 9.200 Euro pro Hektar, stieg dieser innerhalb von 20 Jahren auf durchschnittlich 26.800 Euro pro Hektar. Der Preisanstieg variiert dabei je Bundesland und Region, sodass es Regionen mit noch extremeren Preisexplosionen gibt. Auch der Pachtpreis stieg in den letzten Jahren in Deutschland stark an: Lag der durchschnittliche Pachtpreis für einen Hektar Agrarland im Jahr 2007 noch bei 183 Euro, kletterte dieser bis 2020 auf 329 Euro.

Lücken in der Bodenmarktgesetzgebung

Das Grundstückverkehrgesetz von 1962 räumt Landwirtinnen und Landwirten Vorrang bei Landkäufen ein. Durch eine Regelungslücke können kapitalstarke Investoren dennoch Land erwerben, in dem sie in Form von Anteilskäufe landwirtschaftliche Betriebe kaufen und damit auch in Besitz ihrer Flächen kommen. Das führt zu einer stetig wachsenden Flächenkonzentration bei wenigen Großkonzernen und lässt die Bodenpreise weiter steigen. Der von der Bundesregierung stark vorangetriebene Ausbau der Solarenergie auf landwirtschaftlichen Nutzflächen verstärkt das Interesse außerlandwirtschaftlicher Investoren noch um ein Vielfaches. Insbesondere für Junglandwirtinnen und -landwirte ist es unter diesen Bedingungen fast unmöglich, sich eine Existenz in der Landwirtschaft aufzubauen. Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten braucht es Agrarstrukturgesetze, die die bisherige Bodenmarktgesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland, d.h. das Reichssiedlungsgesetz von 1919, das Grundstückverkehrsgesetz von 1962 sowie das Landpachtverkehrsgesetz von 1986, bündeln, ergänzen und den Herausforderungen der Gegenwart anpassen. Die Zuständigkeit für die Bodenmarktgesetzgebung liegt seit der Föderalismusreform von 2006 bei den Bundesländern. Für die Regulierung von Anteilskäufen hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe seit 2016 konkrete Vorschläge erarbeitet.

Die Lösung: Agrarstrukturgesetze

Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, braucht es Agrarstrukturgesetze, die die bisherige Bodenmarktgesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland, d.h. das Reichssiedlungsgesetz von 1919, das Grundstückverkehrsgesetz von 1962 sowie das Landpachtverkehrsgesetz von 1986, bündeln, ergänzen und den Herausforderungen der Gegenwart anpassen. Die Zuständigkeit für die Bodenmarktgesetzgebung liegt seit der Föderalismusreform von 2006 bei den Bundesländern. Für die Regulierung von Anteilskäufen hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe seit 2016 konkrete Vorschläge erarbeitet.

Wirkungsvolle Agrarstrukturgesetze müssen folgendes enthalten:

  • Instrumente, um die bisher gesetzlich nicht geregelte Übernahme landwirtschaftlicher Betriebe sowie deren Flächen durch inner- und außerlandwirtschaftliche Investoren zu regulieren
  • Instrumente, um den beständig zunehmenden Preisanstieg für Kauf und Pacht von Agrarland abzubremsen
  • Instrumente, um den ebenfalls beständig steigenden Preisanstieg bei den Pachtpreisen zu dämpfen
  • Anpassungen, um das im Grundstückverkehrsgesetz verankerte Vorkaufsrecht für Landwirtinnen und Landwirte wieder praktisch umsetzbar zu machen, insbesondere durch die Ausweitung der Kompetenzen von Landgesellschaften
  • Anzeigeregularien, um Transparenz auf dem Boden- und Pachtmarkt zu schaffen.

Ausführlich erklärt und dargestellt werden die AbL-Forderungen im Positionspapier „Agrarstrukturgesetze - Eigentumsvielfalt erhalten und bäuerliche Betriebe sichern“.

Zudem finden Sie hier Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQs) rund um Agrarstrukturgesetze.

Einführung einer Progressiven Grunderwerbssteuer

Ein weiterer Hebel, um den Zugang zu Land für bäuerliche Betriebe zu sichern, ist die Einführung einer Progressiven Grunderwerbsteuer. Diese orientiert sich an Ideen aus dem Einkommensteuergesetz und soll den Landkauf für Betriebe in Gründung oder mit wenig Eigentumsflächen vergünstigen. Akteure mit viel Eigentum sollen einen höheren Grunderwerbssteuersatz zahlen als andere mit wenig oder keinem Eigentum. Einzelheiten zur Umsetzung finden sich in der 2022 durch die AbL in Auftrag gegebene Studie  „Einführung einer progressiven Grunderwerbsteuer zur Regulation des landwirtschaftlichen Bodenmarkts im Zusammenspiel mit weiteren Instrumenten: Rechtstechnische Umsetzbarkeit“.

Zum Weiterlesen

Übersicht zu weiteren Instrumenten und Maßnahmen einer gerechten Bodenpolitik

Dossier "Gerechte Bodenpolitik" des Konzeptwerks Neue Ökonomie

 

Unsere Stellungnahmen

Stellungnahme zum Gesetzentwurf für ein Agrarstrukturgesetz in Sachsen-Anhalt (2021)

Stellungnahme zum Entwurf für ein Thüringer Agrar- und Forstflächenstrukturgesetzes (ThürAFSG, März 2023)

Stellungnahme zum Entwurf für ein Sächsisches Agrarstrukturgesetz (Mai 2023)

 

Studien zu Landgrabbing in Ostdeutschland

Tietz A (2017) Überregional aktive Kapitaleigentümer in ostdeutschen Agrarunternehmen: Entwicklungen bis 2017. Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut: https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn059268.pdf

Forstner B, Tietz A (2013) Kapitalbeteiligung nichtlandwirtschaftlicher und überregional ausgerichteter Investoren an landwirtschaftlichen Unternehmen in Deutschland. Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut: https://www.thuenen.de/media/publikationen/thuenen-report/Thuenen_Report_05.pdf

Brunner, Jan (2019) : Land Grabbing in Ostdeutschland: Ursachen, Auswirkungen, Widerstand. GLOCON Country Report, No. 3, Berlin: https://www.land-conflicts.fu-berlin.de/_media_design/country-reports/Jan-Brunner_Land-Grabbing-Ostdeutschland_Juni-2019.pdf

 

Studien zu Landbesitzverhältnissen in Deutschland

Tietz A, Neumann R, Volkenand S (2021) Untersuchung der Eigentumsstrukturen von Landwirtschaftsfläche in Deutschland. Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut: https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn063513.pdf