Leipzig, 28.6.2023 Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland (AbL) kürte heute den Leipziger Immobilienkonzern Quarterback Immobilien AG zum „Landgrabber des Jahres 2023“. Bäuerinnen und Bauern überreichten den Preis an Henrik Thomsen, Vorstand der Quarterback AG, vor der Firmenzentrale in Leipzig. Im Frühjahr 2023 hatte das Immobilienunternehmen einen landwirtschaftlichen Betrieb in Brandenburg gekauft und dabei einen Landwirt um zwei Millionen Euro überboten. Dies ist kein Einzelfall. Die Bäuerinnen und Bauern machen mit der Protestaktion auf den Ausverkauf der ostdeutschen Landwirtschaft an außerlandwirtschaftliche Investoren und ihre prekäre Situation aufmerksam.
Anne Neuber, gelernte Landwirtin und Geschäftsführerin der AbL Mitteldeutschland erklärte hierzu: „Der Fall Quarterback zeigt deutlich, dass Bäuerinnen und Bauern nicht mit außerlandwirtschaftlichen Investoren konkurrieren können. Die Konzerne erwirtschaften ihr Geld nicht aus der Landwirtschaft und können deshalb beliebig hohe Preise zahlen. Damit treiben sie die Bodenpreise nach oben und gefährden die Existenz bäuerlicher Betriebe. Daher überreichen wir Quarterback Immobilien den Preis „Landgrabber des Jahres 2023“.“
Die Leipziger Quarterback Immobilien AG überbot den Landwirt Tobias Lemm beim Kauf der Röderland GmbH im Brandenburger Elbe-Elster-Kreis um 2 Millionen Euro. Quarterback gehört zu 40 Prozent der Immobiliengesellschaft „Deutsche Wohnen SE“, an der wiederum Vonovia 87% der Anteile hält. Gemeinsam besitzen die Konzerne über 550.000 Wohnungen. Der Erwerb bestehender landwirtschaftlicher Betriebe inklusive ihrer Agrarflächen ist gesetzlich bisher nicht geregelt, weshalb der Kauf im gesetzlichen Rahmen lag. Daher forderten der brandenburgische Landwirtschaftsminister Vogel und die AbL die Quarterback Immobilien AG auf, ihr Kaufangebot nach Bekanntwerden freiwillig zurückzuziehen. Dieser Bitte kam der Konzern nicht nach und übernahm den landwirtschaftlichen Betrieb für einen kolportierten Kaufpreis von 10 Mio. Euro.
Josephine Moog, Vorstandsmitglied der AbL Mitteldeutschland und Landwirtin in Lommatzsch (Sachsen): „Die Preise für Land sind so hoch, dass ich als Landwirtin den Kaufpreis durch landwirtschaftliches Arbeiten nicht mehr in einer Generation erwirtschaften kann. Wir Landwirtinnen und Landwirte beobachten mit Sorge, wie kapitalstarke Konzerne landwirtschaftliche Betriebe in Ostdeutschland aufkaufen. Das führt zu einer zunehmenden Flächenkonzentration in den Händen weniger Konzerne. Wollen wir in Zeiten der Klimakrise und sozialer Schieflagen zukunftsfähige Lösungen, braucht es eine breite Streuung von Eigentum.“
Anne Neuber weiter: „Ohne gesetzliche Regulierung werden in Zukunft elementare Bereiche einer Gesellschaft wie die Ernährung der Bevölkerung oder das Wohnen in der Hand weniger Investoren liegen. Das ist ein Problem. Bäuerinnen und Bauern wurde im Grundstücksverkehrsgesetz ein Vorkaufsrecht für landwirtschaftliche Flächen gesetzlich festgeschrieben. Die Idee dabei war und ist es bis heute, dass das Land denen gehören soll, die es bewirtschaften“.
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Anne Neuber, Geschäftsführerin AbL Mitteldeutschland
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Hintergrund:
Wenn ein Unternehmen ein anderes Unternehmen kauft, ob zu 20, 51 oder 100 Prozent wird das Anteilskauf oder Share Deal genannt. Weil sich bei dieser Art von Verkauf im Grundbuch nichts verändert, werden Anteilskäufe durch das Grundstücksverkehrsgesetz nicht geregelt. Sie sind noch nicht einmal anzeigepflichtig. Mit dem Kauf eines landwirtschaftlichen Unternehmens erwirbt der Konzern auch dessen Land. Dieser Ausverkauf der Landwirtschaft an außerlandwirtschaftliche Investoren findet seit Jahren statt. Außerlandwirtschaftliche Investoren wie die Aldi-Stiftung, die Zech-Stiftung oder die Münchener Rück haben insbesondere seit der Finanzkrise 2007/08 viele landwirtschaftliche Großbetriebe aufgekauft und besitzen dadurch große Flächen in Ostdeutschland. Das Thünen-Institut schätzte den Anteil der Investoren an landwirtschaftlichen Großbetrieben (juristische Personen) in Ostdeutschland auf 34% im Jahre 2017 (1) – Tendenz steigend. Sinnbildlich für die Situation kann der Fall Quarterback/Röderland gesehen werden.
Der Preis „Landgrabber des Jahres“ wird bereits seit 2019 vergeben. Die bisherigen Preisträger „Landgrabber des Jahres“ sind:
Weitere Informationen zum Thema Bodenmarkt: https://www.abl-mitteldeutschland.de/themen/bodenmarkt
Weitere Informationen zum Fall Lemm/Quarterback: https://taz.de/Landgrabbing-in-Brandenburg/!5916810/
(1) Tietz, Andreas (2017): Überregional aktive Kapitaleigentümer in ostdeutschen Agrarunternehmen: Entwicklungen bis 2017. Thünen Report 52. Johann Heinrich von Thünen-Institut. Braunschweig.