Stellungnahme zum Entwurf des Thüringer Agrar- und Forstflä- chenstrukturgesetzes (ThürAFSG)

Haina, 21. April.2023


Sehr geehrter Herr Lettau,
haben Sie vielen Dank für Ihre Bitte, zum Entwurf des Thüringer Agrar- und Forstflä-
chenstrukturgesetzes (ThürAFSG) Stellung zu nehmen. Dieser Bitte kommen wir hiermit ger-
ne nach.


Vorweg sei gesagt, dass wir es außerordentlich begrüßen, dass nun endlich
ein Entwurf für ein so wichtiges Gesetz vorliegt. Wichtig ist nun, dass das parla-
mentarische Verfahren so schnell wie möglich eröffnet wird, damit das Gesetz
noch in dieser Legislatur verabschiedet werden kann.


Im Folgenden unsere Anmerkungen im Einzelnen:
1. Entgegen den Ankündigungen in verschiedenen Präsentationen soll laut § 2 (3) als
Landwirt künftig nur ein Betriebsinhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes gelten.
Wir fordern, dass der Zugang zu Land (Kauf und Pacht) auch für Berufseinsteiger und
anderen Formen der Landbewirtschaftung (z.B. Solawis) sichergestellt wird.


2. Laut Ihrer Aussage in unserem Gespräch am 17.4. bietet das Gesetz keine Grundlage,
eine weitere Zunahme der Flächenkonzentration durch Anteilskäufe zu unterbinden,
sofern die Erwerber Landwirte im Sinne des Gesetzes sind – was ja für die meisten
großen Investoren wie z.B. ALDI und Steinhoff gegeben ist. Damit ist ein sehr zentra-
ler Zweck dieses Gesetzes nicht erfüllt, da durch dieses somit auch künftig dieses Ge-
fahren für die bestehende Agrarstruktur nicht abgewendet werden können. Hier muss
dringend nachgebessert werden. Wir fordern als Versagungsgrund eine Größen-
schwelle zu definieren, wie derzeit in Brandenburg und Sachsen geplant und in der
zuständigen Länderarbeitsgruppe zum Bodenrecht abgestimmt.


3. Die im § 1 (1) geplante Anhebung der Genehmigungsschwelle für Grundstückskäufe
auf 1 ha würde dazu führen, dass ein viel zu großer Anteil der Grundstücksverkäufe
nicht mehr anzeigepflichtig wäre. Da Thüringen im Wesentlichen ein Realteilungsge-
biet ist, sind die Flurstücksgrößen meist deutlich kleiner als 1 ha. Hier muss unbe-
dingt die bisher geltende Schwelle von 0,25 ha beibehalten werden. Insofern sollte §
39 für ganz Thüringen gelten. Unklar ist, wie nach § 1 (3) eine Summierung von
Grundstückskäufen unterbunden werden soll, da die Akkumulation ja auf der Käu-
fer-, nicht der Verkäuferseite stattfindet und dies ohne Anzeigepflicht nicht kontrol-
lierbar ist. Die Käufer müssen am Erwerb gehindert werden müssen - der hier vorlie-
gende Entwurf lässt diesen jedoch völlig freie Hand, von einer Vielzahl von Verkäu-
fern jeweils Grundstücke kleiner als 1 ha zu erwerben.


4. Sehr begrüßenswert ist die Preismissbrauchsgrenze in § 7 (2) beim Grundstückskauf
mit 20%.


5. Das Problem der doppelt zu zahlenden Grundsteuer bei Vorkaufsfällen durch die
Landgesellschaft wird mit dem Entwurf nicht gelöst, was zu einer weiteren Aushöh-
lung des Landwirteprivilegs führt. Durch die zweimal zu zahlende Grunderwerbssteu-
er (derzeit 6,5%) und die Besiedlungsgebühr durch die Landgesellschaft (derzeit
5,5%) verteuert sich der Kauf für den Landwirt um 11% gegenüber dem Nicht-Land-
wirt! Hier muss eine Regelung z.B. analog zum Brandenburger Entwurf (Vorkaufs-
recht direkt durch Landwirt) getroffen werden.


6. § 13 verwehrt allen Hobbylandwirten künftig die Pacht von mehr als 1 ha, wenn es ei-
nen pachtwilligen und -bereiten Landwirt gibt. Dies ist aus unserer Sicht agrarstruk-
turell nicht zu rechtfertigen und schafft unnötigen Unfrieden im ländlichen Raum. Es
ist für alle Nichtlandwirte eine personengebundene Freigrenze von 5-10 ha Pachtflä-
che einzuführen.


7. In § 15 (2) fehlen weitere Möglichkeiten der Erlangung eines bestimmenden Einflus-
ses, z.B. durch die Übertragung von Stimmrechten etc. Der Brandenburger Entwurf
bietet dafür unseres Erachtens gute Ansatzmöglichkeiten.


8. Die Privilegierung von Erschließungsträgern im § 4 (5) ist agrarstrukturell schädlich
und sollte gestrichen werden. Die Gefahr besteht, dass Erschließungsträger landwirt-
schaftliche Flächen erwerben und anschließend die Kommunen bezüglich der Bauleit-
planung unter Druck setzen. Bisher sind Bebauungsplanverfahren grundsätzlich er-
gebnisoffen. Durch die hier beabsichtigte Genehmigungsfreiheit ab Aufstellungsbe-
schluss würde die Stellung der demokratisch nicht legitimierten Erschließungsträger
überproportional gestärkt.


9. Hingegen trägt aus unserer Sicht die Privilegierung der Kirchen der gewachsenen
Struktur im ländlichen Raum Rechnung und sollte weiter beibehalten werden.


10. Die Regelungen des § 19 begrüßen wir ausdrücklich, allerdings wäre eine Haltefrist
von 12 Jahren zielführender.


11. Unklar ist, was passiert, wenn in einer künftigen Legislatur die Zuständigkeiten für
Land- und Forstwirtschaft nicht mehr in einem Ministerium liegen (betrifft §§ 17 (2),
18 (1) und 39 (2)).


12. Es fehlen klare Regelungen, was mit den während der Prüfdauer getroffenen unter-
nehmerischen Entscheidungen im gekauften Unternehmen im Falle einer Beanstan-
dung des Verkaufes nach § 31 (6) passiert.


13. Es muss unbedingt im § 35 die Möglichkeit des Widerspruchs eingeräumt werden, da
ansonsten künftig auch bei beanstandeten Pachtverträgen nur noch eine kostenpflich-
tige Klage vor dem Landwirtschaftsgericht möglich sein wird – was zu hohen psychi-
schen und finanziellen Belastungen für die Betriebe führen würde und unbedingt ver-
mieden werden muss.


14. Im § 38 (2) sollten auch Ordnungswidrigkeiten nach Absatz 1 Nr. 3 mit einer Geldbu-
ße bis zu einer Million Euro geahndet werden.


15. Die Verjährungsfrist nach § 38 (4) ist mit 5 Jahren deutlich zu kurz.

 

Mit herzlichen Grüßen
Reiko Wöllert

28.04.2023