Thüringer Agrarstrukturgesetz: Ein Entwurf mit vielen Fragezeichen

Karawanskij präsentiert lückenhafte Strategie gegen Ausverkauf der Landwirtschaft an Investoren

Die Thüringer Landwirtschaftsministerin Susanna Karawanskij (Die Linke) stellte heute in der Regierungsmedienkonferenz den ersten Entwurf für ein Thüringer Agrarstrukturgesetz vor. Damit soll der landwirtschaftliche Bodenmarkt neu geregelt werden. Erstmalig würde damit der Kauf von landwirtschaftlichen Betrieben durch außerlandwirtschaftliche Investoren („Share Deals“) einer Anzeige- und Genehmigungspflicht unterworfen.

„Besser spät als nie“, sagt Reiko Wöllert, Landesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland (AbL) und Milchbauer in Westthüringen. „Ganze vier Jahre hat es gedauert, bis die Thüringer Regierung einen ersten Entwurf vorgestellt hat. Viele Betriebe sind auch in Thüringen mittlerweile an Investoren verkauft. Langfristig führt das zu einer Flächenkonzentration in den Händen weniger kapitalstarker Konzerne. Bäuerinnen und Bauern können damit nicht konkurrieren. Nun muss die Landesregierung alles daran setzen, dass dieses Gesetz tatsächlich noch in dieser Legislatur verabschiedet wird.“

Erst letzte Woche hatte in Brandenburg der Verkauf eines großen Landwirtschaftsbetriebes an ein Beteiligungsunternehmen des Immobilienkonzerns Deutsche Wohnen SE bundesweit für Aufsehen gesorgt. Wie genau Share Deals in Thüringen reguliert würden, ließ die Ministerin in ihrer Präsentation jedoch größtenteils offen. Ein schriftlicher Entwurf wurde noch nicht veröffentlicht.

„Der Gesetzentwurf wird sich daran messen lassen, ob Share Deals durch außerlandwirtschaftliche Investoren in Thüringen künftig untersagt würden. Leider hat Ministerin Karawanskij heute nur sehr ausweichend auf die Frage geantwortet, nach welchen Kriterien Investorenkäufe künftig genehmigt werden sollen. Sobald uns der Entwurf vorliegt, werden wir ihn gründlich prüfen und uns im weiteren Verfahren aktiv einbringen“, so Wöllert abschließend.

 

Hintergrund

Investoren wie die Aldi-Stiftung, die Zech-Gruppe oder die Münchener Rück haben seit der Wende etliche landwirtschaftliche Großbetriebe aufgekauft und besitzen dadurch weite Flächen in Ostdeutschland. Offizielle Zahlen existieren keine, das Thünen-Institut schätzte den Anteil der Investoren an Großbetrieben (juristische Personen) in Ostdeutschland auf 34% im Jahre 2017[1] - Tendenz steigend.

Der neueste prominente Fall war der Aufkauf der Röderland GmbH im brandenburgischen Elbe-Elster-Kreis durch die Quarterback Immobilien AG, ein assoziiertes Partnerunternehmen des Immobilieninvestors Deutsche Wohnen SE. Beim Kauf des 2500 Hektar großen landwirtschaftlichen Unternehmens Anfang März 2023 wurde der Landwirt Tobias Lemm um zwei Millionen Euro von der Quarterback Immobilien AG überboten.

Die AbL fordert im Konkreten: Um Share Deals wirklich zu regulieren, muss die Regierung im Agrarstrukturgesetz konkrete Obergrenzen an Landbesitz pro Unternehmen verankern. Es muss eine Anzeigepflicht von Share Deals bereits ab Anteilskäufen von 25 Prozent und nicht erst ab 50 Prozent geben. Daneben bedarf es aber auch einer Mindestschwelle an Landbesitz, ab der Share Deals kontrolliert reguliert werden müssen. Setzt die Regierung keine doppelte Auslöseschwelle, riskiert sie, dass die kontrollierende Behörde das Gesetz aufgrund einer Überlastung nicht effektiv umsetzen kann und die Verfassungsgerichte das Gesetz kippen. Möchte die Regierung den Ausverkauf der Landwirtschaft an Investoren effektiv stoppen, muss sie bei der Share-Deal-Regulierung deutlich nachbessern.

 Hintergrund zum Bodenmarkt und Agrarstrukturgesetze: https://www.abl-mitteldeutschland.de/themen/bodenmarkt

 Hintergrund zum Kauf der Röderland GmbH durch Quarterback Immobilien: https://www.abl-ev.de/apendix/news/details/deutsche-wohnen-ueberbietet-landwirt-beim-kauf-von-agrarbetrieb

 

Kontakt für die Presse:

Reiko Wöllert, Geschäftsführer AbL Thüringen
Mail: woellert[at]abl-ev.de
Tel.: 036254 78024

 

Jan Brunner, Geschäftsführer AbL Mitteldeutschland
Mail: mitteldeutschland[at]abl-ev.de
Tel.: 0157-58084436

 


[1] Tietz, Andreas (2017): Überregional aktive Kapitaleigentümer in ostdeutschen Agrarunternehmen: Entwicklungen bis 2017. Thünen Report 52. Johann Heinrich von Thünen-Institut. Braunschweig.

14.03.2023