Landwirtschaftsministerium blockiert gerechte Verpachtung landeseigener Flächen

AbL: Kriterienentwurf des Landwirtschaftsministeriums ist „bewusste Täuschung“

13.7.2022, Erfurt Ein Bündnis aus AbL Mitteldeutschland und Junger AbL protestierte heute mit Traktoren und Bannern vor der Thüringer Landwirtschaftsministerium. Die Bäuerinnen und Bauern forderten, die landwirtschaftlichen Flächen im Eigentum des Freistaats Thüringen nach jahrelangem Stillstand endlich gemeinwohlorientiert zu verpachten. Anlass war die Blockadehaltung des Thüringer Landwirtschaftsministeriums (TMIL). Dieses hatte zwar Kriterien für eine gemeinwohlorientierte Landvergabe vorgelegt. Die Ausschreibungskriterien greifen aber nur im Ausnahmefall.

Reiko Wöllert, AbL-Landesgeschäftsführer in Thüringen: „Nach jahrelangem Druck legt Ministerin Karawanskij aufwändig erarbeitete Kriterien vor, die aber durch Taschenspielertricks für den Großteil der neu zu verpachtenden Flächen gar nicht gelten. Alles trägt den Anschein von Veränderung, zielt aber darauf, dass alles so bleibt, wie es ist. Das ist schlicht bewusste Täuschung.“

Die Bauern und Bäuerinnen überreichten Staatssekretär Weil ihren Forderungskatalog und begrüßten ausdrücklich die vom Landwirtschaftsministerium erarbeiteten Kriterien für die Verpachtung der landeseigenen Flächen. Diese enthalten etwa die Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen, Direktvermarktung und die lokale Verankerung der Pachtbetriebe und honorieren insbesondere Weidehaltung und Existenzgründungen. Unverständnis äußerten sie für die Tatsache, dass diese Kriterien kaum zur Anwendung kommen sollen. Staatssekretär Weil sagte zu, dass die Anzahl der nach dem Kriterienkatalog ausgeschriebenen öffentlichen Flächen erhöht werde. Desweiteren wolle er ein Sonderkündigungsrecht aufnehmen für den Fall, dass pachtende Betriebe während des Pachtzeitraums an Holdings verkauft würden.

Gesine Langlotz (Junge AbL, Hofgründerin): „Wir haben zwei Jahre nach einer Hofstelle gesucht und müssen jetzt auf 0,7 ha einen Betrieb gründen, weil mehr Flächen nicht zu haben waren. Für uns ist essentiell, dass wir Land dazu pachten können. Dafür braucht es transparente Kriterien und eine Politik, die Neugründungen fördern und nicht verhindern will.“

Zeitgleich protestierten Mitglieder der AbL Mitteldeutschland vor der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt und dem sächsischen Landtag. Die dezentrale Aktion findet statt unter dem Motto „Gemeinwohlverpachtung jetzt! - Für  lebendige Dörfer und gerechten Zugang zu Land für alle!

 

Hintergrund:
Die öffentliche Hand trägt mit der Entscheidung, an wen das Land in ihrem Eigentum verpachtet wird, eine große Verantwortung für die Gestaltung des unmittelbaren Lebensumfeldes der Menschen und für die Versorgung der Bevölkerung mit regionalen Lebensmitteln. Dieser Verantwortung werden weder der Freistaat Thüringen noch die Kommunen bislang gerecht. So gibt es z.B. auf dem Wochenmarkt in der Landeshauptstadt Erfurt derzeit keinen einzigen lokalen Anbieter für frisches Gemüse, obwohl die Stadt Erfurt mehr als 1.000 ha besitzt. Verpachtet wird dieses Land fast ausschließlich an Betriebe, die für den anonymen Weltmarkt produzieren und bislang keinen Meter Hecke in die ausgeräumten Landschaften ringsum gepflanzt haben. Andererseits suchen junge Existenzgründer:innen händeringend Flächen für eine Betriebsgründung. Ähnliches ließe sich für die landeseigenen Flächen sagen.

Die Preisentwicklung auf dem Bodenmarkt in Ostdeutschland ist vergleichbar mit der des Wohnungsmarkts in Ballungszentren wie Jena oder Berlin. Während außerlandwirtschaftliche Investoren tausende Hektar aufkaufen, geben landwirtschaftliche Betriebe wegen steigender Pacht- und Bodenpreise ihre Arbeit auf. Insbesondere jungen landlosen Bäuer:innen fällt der Zugang zu Land und somit ihre Berufsausübung schwer. Die Verpachtungskriterien der Bundesländer können als Preisbremse dienen, wenn sie sich nicht am Höchstpreis, sondern an gesellschaftlichen und nachhaltigen Kriterien orientieren. Aber auch darüber hinaus, besitzt der Freistaat Thüringen über die Verpachtung der sich in seinem Eigentum befindlichen 9000 ha Land einen großen Gestaltungsspielraum und kann dort Grundlagen für die Förderung einer zukunftsfähigen und klimaangepassten Landwirtschaft legen.

AbL-Stellungnahme zum Kriterienentwurf des Thüringer Landwirtschaftsministeriums

Den "Kriterienkatalog für eine gemeinwohlorientierte Verpachtung öffentlicher Flächen" der AbL finden Sie hier.

Kontakt für die Presse:
Anne Neuber, Geschäftsführerin der AbL Mitteldeutschland, Mail: mitteldeutschland[at]abl-ev.de, Tel. +4915758085049

Michael Grolm, Vorsitzender der AbL Mitteldeutschland, Mail: michael.grolm[at]obstbaumschnittschule.de, Tel. 01701087174

 

13.07.2022